Übern Zaun geschaut

Kennen Sie Straßen, in denen sich eine hohe Hecke an die andere anschließt? Häuser, die kaum noch die Hausnummer erkennen lassen, so dicht ist alles zugewachsen? Seit vielen Jahren ist der Kirschlorbeer ein Synonym für diese Gestaltung, in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war es die Thujahecke, Sie erinnern sich?
Zäune um unsere Grundstücke haben eine lange Tradition. Weidezäune definieren Besitzverhältnisse und hindern Tiere daran, aus zu büxen. Eingezäunte Bereiche um ein Haus machen die Fläche zum Garten, erst durch den Zaun wird dies zu einem Kulturraum.

Zäune gibt es in allen Variationen. Was sich in den letzten Jahrzehnten neu entwickelt hat, ist die Koppelung von Markierung der Grenze durch Zäune mit dem Bedürfnis nach Sichtschutz. Wir brauchen Sichtschutz- doch geht das nur über meterlange, hohe und  blickdichte Hecken, Gabionen oder Holzspaliere direkt auf der Grundstücksgrenze?
Während des Lockdowns habe ich mir immer wieder überlegt, wie einsam es sich in einsamen Zeiten wohl hinter diesen Hecken lebt. Passend zu dieser Überlegung fand ich im Briefkasten eine kostenlose Broschüre meiner Krankenkasse. Titel: "Was das Gehirn jugendlich erhält", oder so ähnlich. Neben Vielem, was wir tun können, um unser Gehirn zu schützen und vor Alzheimer zu bewahren, lese ich hier von der Wichtigkeit von sozialen Kontakten für die Aufrechterhaltung der geistigen Gesundheit.

Das leuchtet ein, wird aber brisant in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen oder fehlender körperlicher Mobilität.

Was hat das jetzt mit dem Garten zu tun?
Es ist schön, die Familie um sich zu haben und ausführlich Freundschaften zu pflegen. Doch manchmal fehlt die Zeit, die Kraft oder die Möglichkeit (hier sind wir bei Corona), sich stundenlang mit Menschen zu umgeben. Wenn das Gespräch mit dem Busenfreund ausfällt, kann der traditionelle Schwatz über den Gartenzaun oder übers Balkongeländer mit der Nachbarin einen Ausgleich schaffen und Einsamkeit verhindern.

Natürlich brauchen wir alle unseren Rückzug, die Abgeschlossenheit und Intimität des Gartenraums. Hierbei entstehen nebenbei erwähnt auch gestalterisch die schönsten Gartenbilder. Doch müssen wir uns deshalb nach allen vier Himmelsrichtungen mit Sichtschutz abschotten? Eine geschickte Gartenplanung schafft gleichzeitig Rückzugsbereiche und Offenheit. Ein sinnvolles Abwechseln in Materialität, Höhe und Blickdichte schafft offene und geschlossene Räume. Die geschlossenen Bereiche im Garten schützen uns vor zu vielen sozialen Kontakten, sei es direkt durch Begegnung oder auch indirekt durch Einblicke von außen oder oben. Offene Gartenräume lassen Licht, Luft und soziale Kontakte in den Garten.
 
An Stellen, an denen wir direkt an der Grenze schließen wollen, können wir im Inneren ein Beet anlegen, um die Starrheit des Sichtschutzes abzumildern. An anderer Stelle kann der Zaun niedrig gehalten werden, um dem Schwätzchen Raum zu geben. Weiter innen im Garten kann dann direkt an der Terrasse ein hoher malerischer Solitärstrauch immer noch genug Sichtschutz für den Esstisch bieten und die Lücke ausgleichen. Sichtschutz muss nicht als Linie gestaltet werden, geschickt plazierte Elemente in unterschiedlicher Höhe und Position ergänzen sich.

Probieren Sie es aus! Wir profitieren alle vom sozialen Miteinander übern Gartenzaun.